Zur kommenden Wintersonnenwende am 21. Dezember 2020 gesellt sich ein äußerst seltener Anblick am Abendhimmel: Die Planeten Jupiter und Saturn begegnen sich extrem nah und erscheinen mit bloßem Auge gar als nur ein einziger heller "Stern"– der christliche "Stern von Bethlehem"? Hans Trutnau geht dem Ereignis nach und gibt eine naturalistische Vorschau auf das astronomische Highlight dieses Jahres.
Antiker Hintergrund
Spektakuläre Himmelsereignisse – waren sie nicht schon immer Anlass zu Spekulationen?
Solche Ereignisse (Planeten- oder Sternbegegnungen, Supernovae, Meteor-Boliden oder etwas anderes Helles am Himmel) wurden seit der Antike und werden auch immer wieder als der Stern von Bethlehem (auch Betlehem geschrieben) interpretiert – wenn da nicht der Wunsch der Vater des Gedankens wäre … (Warum nur fällt mir da immer wieder Monty Python's "Life of Brian" ein?)
Eine umfassende Einschätzung der Legende über den "Weihnachtsstern" gibt Alexander Pikhard von der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA). Lassen wir daher solche Spekulationen alter und zudem widersprüchlicher Texte und widmen uns stattdessen unserem neuzeitlichen, wissenschaftlichen Erklärungsmodell.
Aufklärung
Naturalistisch gesehen ist es einfach viel klarer: Jedes Jahr überholen wir mit der Erde auf ihrer inneren Bahn um die Sonne den äußeren Planeten Jupiter (der hpd berichtete). Aber auch Jupiter überholt wiederum gelegentlich den noch äußereren Planeten Saturn, so dass es dann – von unserer Erde aus gesehen – zu einer Begegnung dieser Himmelskörper, einer sogenannten "Großen Konjunktion", kommt. Dieses Jahr soll die Begegnung sogar so eng sein (0,1 Grad), dass die Planeten mit bloßem Auge kaum zu unterscheiden sein werden. Aber wie oft und wann kommt es zu so einer Großen Konjunktion – ließe sich das irgendwie berechnen oder sogar einfacher und anschaulicher grafisch darstellen?
Sorry, wenn ich hier gleich mit mathematischen Gleichungen fortfahre (da sollten wir jedoch erst einmal durch; es wird aber gleich danach auch wieder anschaulicher):
Die WAA gibt auf ihrer schönen Hotspot-Seite zu dem Ereignis eine Formel an, nach der sich die Zeit TB zwischen zwei Großen Konjunktionen aber nicht ohne Weiteres berechnen lässt:
TL = TS * TB / (TB - TS),
mit TL = Umlaufzeit des langsameren, äußeren Planeten (Saturn, 30 Jahre), TS = Umlaufzeit des schnelleren, inneren Planeten (Jupiter, 12 Jahre) und TB = Zeit zwischen zwei Begegnungen; jeweils in Jahren.
Die Gleichung lässt sich jedoch in wenigen Schritten mathematisch nach TB umformen:
TB = TS / (1 - (TS/TL));
nach Einsetzen der bekannten Werte für TL und TS ergibt sich für TB = 12 / (1 - (12/30)) Jahre = 20 Jahre (im Prinzip klappt das auch für Erde, Mars etc.). Zu den angegebenen Umlaufzeiten (Revolutionsperioden) vergleiche den nächsten Abschnitt.
Zwecks anschaulicher Visualisierung können auch zwei Kreise für die Umlaufbahnen gezeichnet werden, auf denen sich Jupiter und Saturn (von weit oberhalb des Erdnordpols aus gesehen) im Gegenuhrzeigersinn, das heißt "rechtläufig" beziehungsweise "prograd", um die Sonne bewegen (vgl. Abb. 1) – mit der Sonne im Zentrum und den weiß gefüllten Kreisen oben für Jupiter und Saturn. Der kleine blaue Punkt links unterhalb der Sonne symbolisiert den ungefähren Standort der Erde am kommenden 21. Dezember (die dort eingezeichneten Umlaufbahnen und Himmelskörper sind nicht maßstäblich, sondern sollen lediglich das Revolutions-Prinzip verdeutlichen).
Die Revolutionsperioden für Jupiter beziehungsweise Saturn betragen jeweils gerundet 12 beziehungsweise 30 Jahre. Saturn hat dann nach zwei Dritteln seiner Umlaufbahn (nach 20 Jahren) die Position auf der roten Linie unten rechts erreicht (als ungefüllter Kreis symbolisiert). Dieselbe Position auf der roten Linie erreicht Jupiter nach einer vollen und zwei weiteren Dritteln seiner Revolution (nach 12 + 4 + 4 = 20 Jahren).
Also – eine Große Konjunktion alle zwanzig Jahre.
Animiert lässt sich das übrigens Jahr für Jahr hervorragend auf der Registerkarte "Orbits" der Web-basierten Applikation "Sky View Café" verfolgen. User müssen sich dort nicht registrieren; eine Ortsangabe oben rechts in der App ist auch nur für die genaue Ortszeit (und daher für die Positionen der Jupitermonde in der Registerkarte "Moons") nötig – ansonsten ist die Ansicht von uns aus gesehen wegen der großen Entfernung der beiden Planeten von allen Orten auf der Erde praktisch identisch.
Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass der im Vergleich zu Jupiter etwas kleinere Saturn fast doppelt so weit von uns entfernt ist; derzeit über 10 AE (Astronomische Einheiten – 1 AE entspricht der Entfernung der Erde zur Sonne, rund 150 Millionen Kilometer)! Da verwundert es nicht, dass die beteiligten Himmelskörper – geschweige denn ihre Monde – mit bloßem Auge kaum auflösbar sind (vgl. auch den folgenden Abschnitt "aktuell").
Abb. 1: Die Jupiter- und Saturn-Revolutionen um die Sonne im Zentrum ergeben eine Wiederbegegnung etwa alle 20 Jahre. Die schematische Grafik ist bzgl. Orbits und Objektgrößen nicht maßstäblich, sondern soll lediglich das Prinzip verdeutlichen (vgl. Text).
Grafik: © Hans Trutnau
Aktuell
Und was können wir jetzt aktuell erleben?
Gegenwärtig (das heißt am 21. Dezember 2020, abends nach Sonnenuntergang) begegnen sich Jupiter und Saturn extrem eng – so eng, dass sie mit bloßem Auge kaum zu unterscheiden sind und fast als ein einziger "Stern" erscheinen. Bei genügender Vergrößerung löst sich das Ereignis in diskrete Himmelskörper auf (vgl. Abb. 2); diese Grafik ist wie das Titelbild in etwa ekliptikparallel gezeigt, das heißt mit Jupiter und seinen Monden parallel zu der Umlaufbahn, die gegen den Horizont gesehen um gut 30 Grad nach rechts geneigt ist (siehe unten).
Das ist dann so am frühen Abendhimmel gegen 17:30 MEZ (und mehrere Tage darum herum; dann aber mit anderen Mondkonstellationen!) tief im Südwesten zu sehen – und da machen horizontnahe Wolken bei uns leider häufig einen Strich durch die Rechnung. Immerhin ist das Ereignis weltweit zu sehen, das heißt auch und gerade auf den häufig wolkenarmen Kanaren oder in den USA.
Die Saturnmonde sind in Abb. 2 nicht gezeigt, weil sie noch weit schwächer als die ohnehin schon schwer sichtbaren Jupitermonde erscheinen. Mit bloßem Auge sind die Monde überhaupt nicht zu differenzieren und selbst Jupiter und Saturn erscheinen dann, wie erwähnt, eher als ein einziges helles Objekt.
Horizontparallel im Feldstecher gesehen ist die Ansicht der Abb. 2 dann um rund 30 Grad nach rechts geneigt (und im unkorrigierten Teleskop dann nochmals um 180 Grad gedreht, das heißt sowohl horizontal als auch vertikal gespiegelt; dann also etwa wie auf der WAA-Hotspot-Seite unter "Die Begegnung" gezeigt).
Abb.2: In etwa ekliptikparallele Ansicht am 21.12.2020 gegen 17:30 Uhr MEZ im Fernglas oder mit Kamera bei mind. 1600 mm Brennweite. Parallel zum Horizont der Betrachter wäre die Ansicht um rund 30 Grad nach rechts geneigt (vgl. Text). Grafik erstellt nach Informationen aus WAA, SVC und Star Walk (Links s.u.). Grafik: © Hans Trutnau
Aussicht
Solch eine enge Begegnung von Jupiter und Saturn war Jahrhunderte nicht zu sehen und wird in dieser Konstellation wohl auch wieder Jahrhunderte dauern – also nutzen wir die Gelegenheit!
Mir schwant aber leider, dass dieses fraglos astronomisch, das heißt wissenschaftlich erklärbare Ereignis (wegen seiner diesjährigen Nähe zum christlichen Weihnachtsfest) dennoch wieder von religiösen Fundamentalisten als "Weihnachtsstern" reklamiert werden wird …
Aber jetzt hoffen wir mal auf einen klaren Abendhimmel – Fotos sind willkommen! Von wo auch immer.
Bis dahin wünsche ich der gesamten hpd-Leserschaft – und darüber hinaus – eine erquickliche Wintersonnenwende und ein gutes und gesundes neues Jahr!
Außerdem gäbe es Mitte Dezember auch noch die Geminiden zu beobachten … Viel Spaß dabei.
Links:
Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie: www.waa.at
"Sky View Café": skyviewcafe.com
"Star Walk App": starwalk.space
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